ZEN-Kloster - LIVE
Nach einer kurzen Meditation tauchte vor meinem inneren Auge ein Name auf, der mir kurz zuvor in einem Buch begegnet war. Ich hatte es einige Tage zuvor auf einem Bücherbasar in Düsseldorf erstanden: Gerta Itla – Autorin des Buches „Auf dem Weg zu Satori – Das Erlebnis der Erleuchtung“. In diesem Werk beschreibt sie ihre tiefen Erkenntnisse und Erfahrungen während eines siebenmonatigen Aufenthalts in einem japanischen Zen-Kloster.
Gerta Itla, 1894 in München geboren, war Künstlerin, Schauspielerin, Autorin, Zen-Buddhistin und Mystikerin. Eine Tumorerkrankung beendete ihre künstlerische Laufbahn. 1963 reiste sie nach Japan, wo sie als erste westliche Frau die Erlaubnis erhielt, in einem Zen-Kloster gemeinsam mit Mönchen zu leben und zu meditieren. Neben Eugen Herrigel – dessen Schülerin sie war –, Enomiya-Lassalle und Graf Dürckheim trug sie maßgeblich dazu bei, den Zen-Buddhismus in Europa bekannt zu machen. 1967 folgte sie erneut der Einladung ihres Zen-Meisters Mumon Yamada Roshi nach Japan.
Durch ihr Buch erhielt ich einen tiefen Einblick in das asketische Leben eines Zen-Klosters, das vor allem durch stundenlange Sitzmeditationen (Zazen) geprägt ist. Die Roshis früherer Zeiten galten als strenge Lehrer, die nicht davor zurückschreckten, ihre Schüler mit dem Zenstock zu traktieren, um deren geistige Wachheit zu fördern. Diese Form der „Züchtigung“ galt als ein Akt der Liebe – als Hilfe, sich nicht in Denken oder Träumen zu verlieren. Gerta Itla jedoch machte ganz andere Erfahrungen: Zazen ist nicht nur Meditationstechnik, sondern auch eine Form intensiver Selbstkonfrontation – manchmal sogar Selbstkasteiung.
Schon Gautama Buddha erkannte, dass extreme Askese selten zum Ziel führt. Er empfahl den „Mittleren Weg“, den Pfad der Harmonie und Ausgeglichenheit. Dieser wird treffend mit der Saite eines Instruments verglichen: Ist sie zu locker, klingt sie nicht. Ist sie zu straff, reißt sie. Nur in der richtigen Spannung kann sie ihren vollen Klang entfalten. Doch wie findet man diesen mittleren Weg? Wer die Mitte finden will, muss die Extreme kennen. Je tiefer die Grenzerfahrungen, desto feiner das Gespür für Balance. Stundenlanges, schmerzhaftes Sitzen kann eine solche Grenzerfahrung sein – doch Erleuchtung und Satori sind oft erst möglich, wenn der Schmerz wieder nachlässt.
Viele Menschen in unserer hektischen, nervenzehrenden Welt sehnen sich nach Ruhe und innerem Frieden. Ein Retreat in einem Kloster oder Ashram kann dabei helfen, neue Kraft zu schöpfen. Doch man sollte den Moment nicht verpassen, wieder Abschied zu nehmen – um gestärkt ins pralle Leben zurückzukehren. Ob Erleuchtung im Kloster oder auf dem Klo geschieht, ist letztlich unerheblich. Wichtig ist die Erkenntnis: Wahre Erleuchtung führt zu Menschlichkeit und Mitgefühl – alle dogmatischen und egozentrischen Wege hingegen enden in einer Sackgasse.